Wenn wir das Wort "Yoga" hören, denken viele Menschen: "Das kann ich sowieso nicht", "Ich bin nicht flexibel genug" oder "Das ist mir zu ruhig". Solche Gedanken zeigen, wie eingeschränkt unser Bild von Yoga oft ist.
Doch Yoga ist weit mehr als das, und nach über 15 Jahren persönlicher Praxis und meiner Entwicklung zur Yogalehrerin habe ich erkannt, dass Yoga nicht nur die Bewegungen auf der Yogamatte sind, sondern eine Philosophie darstellt – eine Lebenshaltung, die sich tiefgreifend auf alle Aspekte unseres Daseins auswirkt.
Yoga beginnt nicht mit dem ersten Atemzug auf der Yogamatte und endet auch nicht mit der Schlussentspannung. Es durchdringt unser Denken, Fühlen und Handeln, wenn wir es zulassen.
Es lehrt uns, den Moment zu umarmen, innezuhalten und uns selbst und unsere Umwelt bewusster wahrzunehmen. Doch oft wird diese tiefere Dimension von Yoga in unserer schnelllebigen Welt übersehen, wo Effizienz und Leistung im Vordergrund stehen.

Die wahre Übung: Leben abseits der Matte
Was mir im Laufe der Jahre klar wurde: Yoga ist keine Übung, die man "abschließen" kann. Es ist ein Weg, der uns fordert, unser Denken zu hinterfragen und immer wieder neu zu lernen. Yoga lädt uns ein, auch abseits der Matte bewusst zu atmen, geduldig zu sein und unser Handeln aus einem Ort der Achtsamkeit heraus zu steuern.
Ein Beispiel aus meiner eigenen Praxis: Es gab Tage, an denen ich mich in einer anstrengenden Yogapose verloren habe – meine Muskeln brannten, mein Atem stockte, mein Körper müde war und alles in mir wollte aufgeben. Doch statt dagegen anzukämpfen, begann ich, bewusst zu atmen, mich in die Situation und die Posen hineinfallen zu lassen. Plötzlich wurden die Bewegungen leichter, fast mühelos.
Genau das erlebe ich auch im Leben: Wenn unbequeme Situationen auftauchen, verspürte ich oft den Impuls, sofort zu reagieren oder Widerstand zu leisten. Aber wenn ich zuerst innehalte, tief atme und mich mental etwas zurücklehne, merke ich, wie sich der Körper entspannt und auch mein Denken. Oft fühlen sich diese Momente dann nicht nur einfacher an, sondern öffnen neue Perspektiven.
Verbindung statt Perfektion
Ein weiterer Aspekt, der oft unterschätzt wird, ist die Verbindung – zu uns selbst und zu anderen. In unserer modernen Gesellschaft werden wir oft dazu ermutigt, uns zu vergleichen, zu konkurrieren und uns anzupassen. Yoga erinnert uns daran, dass es nicht um Perfektion geht. Es geht um die Verbindung zu unserem Körper, unserer Atmung und letztlich zu unserem wahren Selbst. Diese Verbindung ist es, die uns stärkt, unser wahres Potenzial zu erkennen und zu entfalten.
Eine der größten Lektionen, die ich als Yogalehrerin immer wieder erfahre, ist, wie unterschiedlich jede Praxis sein kann. Kein Tag gleicht dem anderen, und genau darin liegt die Magie. Yoga lehrt uns, uns auf das einzulassen, was ist – nicht auf das, was wir glauben, sein zu müssen.
Yoga als Spiegel des Lebens
Ich sehe Yoga als einen Spiegel, der uns zeigt, wie wir durchs Leben gehen. Wie reagieren wir, wenn wir an unsere Grenzen stoßen? Wie gehen wir mit Scheitern um? Wie viel Geduld bringen wir uns selbst gegenüber auf? Diese Fragen tauchen auf der Matte auf, aber ihre Antworten finden wir im Alltag.
Als ich vor 2024 auf Bali war, habe ich an einem intensiven Retreat teilgenommen. Dort wurde mir noch deutlicher, dass Yoga uns nicht nur in die Tiefe führt, sondern uns auch lehrt, mit dieser Tiefe umzugehen. Es ist ein Werkzeug, das uns befähigt, alte Muster zu durchbrechen und einen authentischen Weg zu finden – nicht nur für uns selbst, sondern auch im Umgang mit anderen.

Die Einladung, Yoga neu zu denken
Yoga ist keine Anleitung, sondern eine Einladung. Es fordert uns heraus, das Bekannte loszulassen und neue Perspektiven einzunehmen. Es fordert uns auf, ehrlich zu uns selbst zu sein und Verantwortung für unser Leben zu übernehmen.
Vielleicht können wir beginnen, Yoga nicht als etwas zu sehen, das wir tun, sondern als etwas, das wir leben. Jeder Atemzug, jede Begegnung und jede Entscheidung kann eine Yogapraxis sein, wenn wir sie mit Bewusstheit und Mitgefühl angehen.
Yoga ist Transformation – aber nicht, weil es uns zu jemand anderem macht, sondern weil es uns erlaubt, zu uns selbst zurückzufinden.
Meine Reise mit Yoga ist noch lange nicht abgeschlossen. Sie ist vielmehr ein ständiges Werden und Lernen. Aber was ich heute weiß, ist: Yoga ist ein Geschenk. Nicht, weil es uns flexibler oder stärker macht, sondern weil es uns daran erinnert, wer wir wirklich sind. Und genau das macht Yoga so viel mehr als nur Bewegung.
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